Windige Inseln und kalte Zungen

Mit ein paar donnernden Lawinen verabschiedt sich die Trollveggen von uns. Ich muss gestehen, ich wäre gern noch länger vor dieser Wand gesessen. Einfach sitzen und die Wand beobachten hatte für mich einen größeren Unterhaltungswert als die meisten Sendungen auf diversen Fernsehkanälen.

Norwegen hat noch mehr zu bieten, da wir aber nicht mehr allzulange Zeit in diesem Urlaub haben muss es jetzt weiter gehen.

Ein kurzer Stopp in Andalsnes soll Börnis Souvenir-Bedürfnis stillen. Ich nehme meine mittlerweile typische Parkposition – über 3 Parkplätze quer – ein. Selbst das ist ein idyllischer Ort zum verweilen

Der weitere Plan, nachdem Börni eine gefühlte Ewigkeit shoppen war, ist zunächst die Trollstigen zu erklimmen und danach den berühmten Geiranger Fjord zu besuchen. Ein kleiner Vorbote dafür, dass dieser Plan wohl nicht aufgehen wird, war die Weigerung meiner Navigationssoftware einen Weg der nicht 10 Stunden Fahrzeit bedeuten würde zu finden. Das Problem, Trolle dürften ein Gelage gefeiert und am Heimweg durch ihr lautes Gegröle Lawinen ausgelöst haben. Dadurch wurden die Trollstigen beschädigt und sind bis Ende Mai gesperrt. Danach sind wir auf gut Glück weiter gefahren bis wir am Meer angestanden sind.

Nein, Börni verkauft hier nicht den Augustin sonder hält stolz einen Informationszettel über die Vogelarten die man auf der Insel Runde beobachten kann, hoch. Den späten Sonnenuntergang und die lange Dämmerung nutzend, haben wir den Vogelfelsen bestiege. Ich schwöre, dieser dämliche Weg ging senkrecht nach oben! Nach 40-minütigen Aufstieg, kam ich keuchend und fluchend oben an nur um festzustellen das sich die Winde gegen mich verschworen haben. Das hatte zwar den Vorteil, dass wir ein Prachtwetter zum fotografieren hatten, aber die Böen machten es einem schwer gerade aus zu gehen.

Neben dem großartigen Ausblick brachte uns der stürmische Wind noch etwas. Ein sehr interessantes Gespräch mit einen 70-jährigen Gärtner/Schäfer/Häuslbauer. Vielleicht hat es Njörd eingefädelt – eine Windböe riss mir meine Kappe vom Kopf auf eine hoch umzäunte Schafsweide. Börni ließ sich nicht davon abbringen und fand den Besitzer der Weide. Daraus entstand ein 20-minütiges Gespräch über „verbrecherische“ Regierungen, dem norwegischen Pensionssystem, den Werdegang seiner Kinder (Tochter – Krankenschwester, Sohn – Kaptiän eines Versorgungsschiffes für Bohrinselns, jüngster Sohn – Pfleger) und Energiegewinnung in Norwegen. Den Grund, warum er weiter Schafe züchtet und Blumen im Gewächshaus zieht obwohl beides keinen Gewinn abwirft, blieb er uns schuldig.

Den Tag konnten wir mit einem herrlichen Ausblick aufs Meer (und etwas Gestank vom Seetang) ausklingen lassen.

Jetzt galt es einen Weg Richtung Süden zu finden, da wir uns jetzt schon mit dem Gedanken herumplagen müssen, rechtzeitig nach Hause zu kommen. Fixfertig habe ich schon einen günstig gelegen Campingplatz herausgesucht als mir der Prospekt von Norwaycamping east-west ins Auge sprang den Börni bei Trollveggen vom Campsheriff erhielt. Konkret Gryta Camping am See Oldevatnet. Dieser See wird durch den Gletscher Brikdalsbre (Teil des Jostedalsbreen Gletscher) gespeist und vom Campingplatz aus hat man eine atemberaubende Sicht darauf

Natürlich sind wir wieder gefühlt alleine am Platz.

Da wir ein wenig Pause vor dem nach Hause fahren brauchen, haben wir beschlossen, zwei Nächte hier zu verbringen. Da macht auch das mittlerweile dringend notwendige Wäschewaschen mehr Spaß.

_Glückliche Waschweiber

Kommentar von Börni:

Es fällt mir unheimlich schwer, die Eindrücke und Erlebnisse der letzten Tage in Worte zu fassen. Alles lässt mich nur demütig Staunen.

Trollveggen ist einfach eine steile Wand die vom Boden bis zum höchsten Gipfel nahezu 1800m misst. 50m Überhang. Die gerade „eigentliche Wand“ ist einen ganzen Kilometer lang. Und wir sitzen davor und halten den Atem als Schnee ca. 350m in die Tiefe fällt und dabei laut donnert.

Dass wir Trollstigen nicht befahren konnten, war zwar schade allerdings sind solche Umstände immer Gelegenheit, etwas anderes Tolles daraus zu machen. Und WAS FÜR EIN TOLLES EREIGNIS DARAUS WURDE!

Als wir die Route neu planten, habe ich noch schnell ein Foto geschossen.

Wir fuhren auf die Insel Runde, der westlichste Ort unserer Reise. Die Insel besteht im Prinzip aus einem riesigen Naturschutz- und Vogelschutzgebiet, wo auf bestimmten Pfaden und Plätzen Menschen mehr oder weniger erlaubt sind. Mehr – auf Campingplätzen, im Dorf. Weniger – abseits der Pfade, auf fremden Grundstücken. 😀 Das erste Mal die Luft am Campingplatz einzuatmen war nicht die angenehmste, allerdings gewöhnt man sich schnell an den fischigen, muffigen Seetanggeruch, der in der Sonne trocknet weil er vom Meer angespült wurde. Mein insgeheimes Ornithologenherz schlug mir bis zum Hals als ich erfuhr, wie viele verschiedene Vogelarten hier leben. Und dann ist die beste Zeit, Papageitaucher zu sehen sogar am Abend und wir hatten noch etwas Zeit! Ich war drauf und dran, mindestens ein Foto von ihnen zu schießen. Der Aufstieg war steil, aber das realisierte ich erst beim Abstieg. Ich war zu aufgeregt. Der Ausblick ist unbezahlbar. Und ich hatte das Glück, nebem einem Papageitaucher auch andere Vögel zu erwischen.

Goksöyr Camping
Papageitaucher
Kolonie von Dreizehenmöwen

Das ist wie immer nur ein winziger Ausschnitt. Wie ich bereits geschrieben habe, fehlen mir die Worte. Was für ein Tag. Was für ein Ausblick. Dass ich das erleben darf.

Unterwegs war Lebensmittel besorgen:

Beim Lebensmitteleinkauf kann ich mir einige Dinge herleiten – abgesehen von Obst/Gemüse das ist offensichtlich. Zum Beispiel Milch in einer fremden Sprache kaufen kostet mich dann doch etwas Gehirnschmalz. Bis ich mir einen Überblick verschafft habe, was alles geboten wird damit ich mittels Ausschlussverfahren entscheiden kann, was am ehesten dem entspricht das ich haben möchte vergeht etwas Zeit.

Angekommen sind wir nun am Gletscher. So viel habe ich ausgelassen zu erzählen. Ich werde sicher Wochen danach noch die Reise verarbeiten. Darauf freue ich mich jetzt schon 🙂

Nana sieht sich Wiesen an wie wir unsere Handys ansehen 😀
Gryta Camping

So, aber nun ist Schluss für heute. Bis zum nächsten Mal!

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